Eindrücke einer kurzen Iranreise

Daniel Vischer, Schweizer Nationalrat (Die Grünen) im Februar 2007

 

Ich weilte mit Geri Müller, Vizepräsident der APK, und seiner Assistentin und Protokollführerin Rahel Lauber vom 1. bis 5. Februar vier Tage im Iran. Dabei verbrachten wir einen Tag in Isfahan, die restliche Zeit in Teheran, vornehmlich politischen Diskussionen gewidmet. Wir folgten einer Einladung des iranischen Parlamentes. Ueber die einzelnen Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern des Aussenministeriums, des Umweltministeriums, der parlamentarischen Kommissionen sowie mit Botschafter Welti und seinen schwedischen und italienischen Kollegen führte Rahel Lauber ein Protokoll.

 

Nach so kurzer Aufenthaltsdauer lässt sich wenig festhalten. Die Eindrücke sind flüchtig. Sie entstehen durch ein Gemisch aus vorgefassten, durch Lektüre und Gespräche gewonnenen Ansichten, unmittelbar im Iran Wahrgenommenem, wie auch durch Gespräche mit Repräsentanten und zufällig getroffenen Menschen in Hotelhallen oder auf der Strasse. Wir waren zwar unterwegs als Politdelegation, der prägende Eindruck indessen nährt sich aus der Anschauung von spirituellen, rational durchformten und an Schönheit kaum zu übertreffenden Monumenten einer dreitausend Jahre alten Kultur vor allem in Isfahan und der sichtbaren Urbanität Teherans mit ihrer eigenen Widersprüchlichkeit von Modernität und Religiosität. Eine spürbare Heiterkeit widerspricht der Erwartung. Der Iran ist eine islamische Kultur, das Weltzentrum des schiitischen Islam ist in Qom, gleichzeitig scheint der Zoroastrismus unterschwellig fortzuleben und damit ein Stück Heidentum, wie unser Kunstführer aus Isfahan unterstrich. Nahm ursprünglich der Islam bei seiner Ankunft im Iran und seiner Konfrontation mit den vorgefundenen religiösen Strukturen synkretistische Formen an, müsste man Mircea Eliade fragen.

 

Der Iran ist kein arabisches Land, in ihm lebt eine originäre islamische Kultur. Letztlich frappiert die zu beobachtende Komplexität des Irans als Land wie als Staat. Das Land erscheint moderner als sein Ruf im Westen, das Auftreten der Frauen in Teheran wirkt selbstbewusst und oft entsteht der Eindruck, vorab jüngere Frauen in Jeans spielten geradezu mit dem Kopftuch. In Teheran ist der Iran des Tschador im Zentrum nur wenig sichtbar präsent, in Qom soll das pure Gegenteil der Fall sein.

 

Ich habe vor meiner Reise unter anderem auch die Artikel von Michel Foucault von Ende 1978 vor und während der iranischen Revolution und Mitte 1979 nach der Machtübernahme Komeynis in seinen „Dits et écrits 1976 – 1979“ nachgelesen. Foucault war damals einige Zeit im Iran an verschiedenen Orten und erlebte bestimmte Phasen der Revolution direkt mit. Aus seinen Texten, in welchen er sich gegen Schluss zunehmend mit dem Vorwurf, Khomeyni vorbehaltlos unterstützt zu haben, zur Wehr setzen musste, spricht ein tiefes Staunen. Er hegt nicht wenig Bewunderung über den Umstand, dass ein ganzes Volk sich hinter Khomeiny als spirituellem Führer vereinigte und dieser auf friedlichem Weg das Schahregime wegfegte, was keiner der einzelnen politischen Gruppierungen mit diesem allumfassenden Konsens auch nur ansatzweise gelungen wäre. „Man braucht kein Seher zu sein, um zu erkennen, dass die Religion kein Kompromiss ist, sondern eine Kraft, die eine Volkserhebung auszulösen vermag, und zwar nicht nur gegen den Herrscher und seine Polizei, sondern gegen ein ganzes Regime, seine Lebensweise, seine Welt“.

 

Ein westlicher Botschafter in Teheran meinte anlässlich eines Gesprächs in der Schweizer Botschaft, heute sehne sich eine Mehrheit nach dem Schah zurück. Ich bezweifle das stark. Natürlich wissen wir, wie alsbald der revolutionäre Charakter der religiösen Massenerhebung in beginnende restaurative Züge des Mullahregimes umschlug, die zu dominieren begannen, und sich der repressive Charakter des religiösen Regimes verstärkte. Religiöse Vorgaben standen gegen Ansprüche auf Liberalisierung im Alltag und Emanzipation vor allem der Frauen. Indes wäre es ein grosser Trugschluss zu glauben, eine Mehrheit oder überhaupt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung, die heute im Iran lebt, bevorzuge eine amerikanisierte oder generell eine westliche Gesellschaft, die mit dem schiitischen Islam iranischer Prägung fundamental bricht, und ihn ersetzt durch einem Islam nach westlicher Vorstellung, wie der auch immer aussähe, ganz abgesehen vom nachwirkenden Horror gegenüber der Schahdiktatur und seiner berüchtigten Geheimpolizei Savak. Die aktuellen Auseinandersetzungen auf der politischen Makroebene wie auch im mikropolitischen Bereich beruhen nämlich auf der Grundlage einer Anerkennung der tieferen Werte der schiitischen Religion, selbstredend mit höchst unterschiedlicher Auslegung bezüglich der gesellschaftlichen und politischen Implikationen.

 

Modernität und schiitische Religion als wesentliche Lebensbasis basieren nicht auf einem unlösbaren Widerspruch, wie bei uns viele meinen. Wenn amerikanische Präsidenten davon sprechen – zuerst tat dies Clinton -, sie wollten das Regime auswechseln, haben sie als Détail übersehen, für die Verwirklichung eines Irans nach ihren westlichen Vorstellungen auch die grosse Mehrheit der im Iran lebenden Menschen austauschen zu müssen. Es wäre wohl sinnvoll, nähme der Westen den Ausgang von Präsidentenwahlen von 2005 zur Kenntnis, ganz angesehen davon, dass ja mit einem anderen Regime nicht Rafsanjani, der Gegenkandidat von Ahmedinejad als Präsident, gemeint ist.

 

Interessant war bei den verschiedenen Begegnungen, dass einige der iranischen offiziellen GesprächspartnerInnen den heutigen Präsidenten nicht erwähnten, zwei hingegen ausdrücklich seinen Vorgänger, den als liberal geltenden Kathami. Dies kann ein Indiz nicht nur für einen gewissen Pluralismus innerhalb der Führungselite und einen fortscheitenden Richtungskampf sein. Einige erachteten auch die Aeusserungen Ahmedinejads bezüglich Israel und Holocaust als  kontraproduktiv.

 

Interessant ist, dass ein Iranspezialist in einem Interview im Teheran gewidmeten „NZZ folio“ vom 5. Februar 2007 dazu anmerkte, Ahmedinejad formuliere keine antisemitische, sondern eine klassisch antizionistische Position, ihm und überhaupt dem Iran gehe es nicht um die Ausgrenzung der Juden, sondern die Legitimität Israels auf dem Territorium Palästinas.

 

Was die Beziehungen des Iran zur Hizbollah und zur Hamas angeht, bestehen nach Ansicht westlicher Beobachter in Teheran enge politische und militärische Beziehungen. Indes würden die massgeblichen Entscheidungen wie zum Beispiel die Entführung von zwei israelischen Soldaten, die zum Vorwand des Juli Krieges 2006 Israels gegen den Libanon wurden, keineswegs in Teheran gefällt, sondern autonom und ohne Einbezug des Iran. Auch die Hamas agiere viel weniger direkt abgesprochen als vermutet.   

 

Der heutige Iran ist keine theologische vertikale Diktatur, im Gegenteil in vielerlei Hinsicht eine gelebte Demokratie, auf Grund der Stellung des Wächterrates und des vorgegebenen islamischen Kontextes fraglos eine Demokratie sui generis. Interessant ist, dass die Machtstrukturen horizontal angelegt sind. Der Wächterrat und der Vorsitzende und höchste Geistliche Kamenei nehmen zwar eine Sonderstellung ein, aber alle wichtigen politischen Entscheidungen werden von den verschiedenen parallel agierenden Institutionen untereinander abgestimmt. Dies war den auch nach Ansicht eines westlichen Botschafters   die Haupterklärung dafür, warum die Antwort des Irans auf das Verdikt der Fünfergruppe vom Mai 2006 erst im August 2006 erfolgte, mithin kein Spielen auf Zeit.

 

Natürlich ist der Iran kein Rechtsstaat nach unserem Verständnis. Das kann er schon allein auf Grund seiner nicht laizistischen Grundstruktur und des absoluten Vorrangs des Korans als Rechtsquelle, die alle anderen übersteuert, nicht sein. Eine Diskussion mit dem Vorsitzenden der Rechtskommission des Parlamentes, einem unnachgiebigen, sehr gebildeten und eloquenten Mullah, vielleicht vom Typ her vergleichbar mit Ratzinger, war denn auch letztlich unmöglich, weil jede Frage nach einer auch nur leisen Laizisierung des iranischen Rechtssystems von vorneherein als kulturfremd und damit als Einmischung quittiert wurde. Ich kann hier nur als Vermutung aussprechen, ohne dass mir irgendwelche Grundlagen vorlägen, die Laizisierung werde in den nächsten Jahren nebst wachsender sozialer Ungleichheit die Hauptfrontlinie der inneren Auseinandersetzungen sein. Dabei stellt sich die Frage, in welche Richtung die jüngeren vor allem städtischen Generationen optieren werden. Aeusserlich gesehen müsste man eigentlich mit fortschreitender Zeit auf eine Laizisierung tippen. Das kann indes täuschen, denn vergessen wir nicht: Ahmedinejad hat die Präsidentenwahlen 2006 gegen Rafsanjani im zweiten Wahlgang auf Grund grösserer sozialer Glaubwürdigkeit dank Zustimmung auf dem Land und in den proletarischen und subproletarischen Vierteln der Städte deutlich gewonnen (die er offenbar einzubüssen beginnt), die diesbezüglich religiös konservativ denken. Die Laizisierung verbunden mit der Durchsetzung von individuellen Grundrechten und damit grösserem individuellem Spielraum im Alltag dagegen ist vor allem die Forderung des städtischen Mittelstandes und der mittelständischen Frauen.  

 

Der Westen täuscht sich freilich, glaubt er, er verfüge gewissermassen über das Monopol der einzig richtigen Rechtsstaats Position. Müsste nicht vielmehr gelten: jede Weltkultur und –religion hat das Recht auf Ausgestaltung seines Rechtssystems nach eigenen Vorstellungen, jede Weltkultur und -religion kann ihre Emanzipation nur selbst gestalten. Vielleicht muss man Kultur- oder besser Weltreligionsräume als geschlossene autopoietische Subsysteme des Systems Religion verstehen, deren Selbststeuerung nur durch Irritation durch die Umwelt, mithin andere Religions- und vor allem Funktionssysteme beeinflusst werden kann. Die letzten Erfahrungen zeigen jedenfalls, wie kontraproduktiv Einflussnahmen des Westens sich auswirken, die meinen, das iranische System übersteuern zu können – gerade weil dem westlichen politischen Grossdiskurs über solche Zusammenhänge jedes Verständnis fehlt. Das hat sich im Iran nicht zuletzt während der Präsidentschaft Kathami’s offenbart, dem man eine Position zu aufoktroyieren versuchte, die er nicht haben konnte und wollte, und ihn damit von der Mitte der iranischen Gesellschaft isolierte, was ihn immer handlungsunfähiger erscheinen liess.

 

Das schliesst freilich weitergehende Ueberlegungen keineswegs aus: als Scharnier zwischen den Weltkulturen und -religionen könnte indes ein Set von für alle verbindliche Universalrechte etabliert werden, was sich aber gewiss nicht über einen westlichen Oktroy herstellen lässt und gleichzeitig eine Demokratisierung der internationalen Beziehungen und der UNO voraussetzt. Die Iraner verweisen hierzu übrigens auf eine Rede von Ex Präsident

Kathami mit Vorschlägen in diese Richtung, aus seiner Optik natürlich formuliert, vor der UNO Vollversammlung vor zwei Jahren, die allerdings kaum Echo fanden. Fälschlicherweise betrachtet sich der Westen als für den Erlass von Universalrechten und konsensuelle Vorgaben für die Ausgestaltung von Rechtsstaat und Demokratie allein zuständig.     

 

Aus dem Buch von Ulrich Tilgner „Zwischen Krieg und Terror“ erhellt die amerikanische Destabilisierungsaufmarschachse gegen den Iran, die ihre massgebliche Vorbereitung bereits in der Clinton Aera fand. Aus dieser Zeit stammt denn auch die „Theorie der Schurkenstaaten“, zu welchen zeitweise übrigens auch Cuba zählte, die in den neunziger Jahren in weiten linken und grünen Kreisen keineswegs auf Ablehnung stiess, auch bei einigen, die heute jährlich zu den Weltforumsanlässen in die dritte Welt jetten. Dies obgleich der Iran zweimal für die USA wichtiger Bündnispartner war: beim zweiten Golfkrieg 1991 wie auch beim Afghanistanfeldzug 2002. Im Irakkrieg 2003 stand der Iran dem amerikanischen Angriff gegenüber Gewehr bei Fuss. Die Anti Iran Kampagne der USA und in deren Schepptau der EU nahm dann aber gleichwohl seinen Fortgang. Dies auch, obgleich angesichts der schiitischen Mehrheit des Iraks die USA eigentlich auf ein Bündnis mit dem  Iran angewiesen wäre – man lese den Bakerbericht.

 

Der Kampf um die Erdölherrschaft spielt für die USA auch bezüglich Iran indessen eine zentrale Rolle. „Bereits heute verbrauchen die USA täglich 21 Millionen Barell (1 Barell = ca. 159 Liter). Von ihnen werden täglich 14 Millionen eingeführt, eine Menge, welche ungefähr den Exporten der drei grössten Oelländer, also Saudi-Arabien, Iran und Irak, entspricht. Denn in den USA werden nur sieben Millionen Barell gefördert.“ Angesichts dieses Bedarfs stellt sich die Frage, ob es die USA bei so niedrigen Reserven und einem so gewaltigen Bedarf hinnehmen, über einen längeren Zeitraum von den iranischen Oelquellen abgeschnitten zu sein? Wird sich die USA mit der Rolle des Zuschauers begnügen, derweil sich China, der grosse Konkurrent auf dem Weltmarkt, die iranischen Oelreserven durch umfassende Verträge sichert? Seit Januar 2006 ist der Iran Chinas grösster Oellieferant, wie auch mit Indien langfristige Lieferverträge bestehen. Im Spiel sind schliesslich auch japanische Oelkonzerne, mit welchen der Iran über die Erschliessung eines der grössten noch nicht genutzten Oelfelder der Welt, in welchem 26 Milliarden des schwarzen Goldes vermutet werden. Gleichzeitig könnte sich alsbald eine russisch-iranische Gasunion verwirklichen, welche über mindestens 43 Prozent der nachgewiesenen Weltvorräte verfügte. Der Kampf um die Vorherrschaft im Nahen Osten, wo sich der grösste Teil der Oelreserven befinden, fand mithin mit dem Irakfeldzug keineswegs seinen Abschluss. Fest steht, dass die USA ihr ideologisches Destabilisierungsprogramm gegen den Iran jährlich aufrüstet: standen hierfür 2005 umgerechnet drei Millionen Euro zur Verfügung, waren es 2006 bereits siebzig Millionen, 40 Millionen alleine für ein TV Programm, das auf Farsi im Iran ausgestrahlt werden sollte, aber offenbar keine grossen Empfang sah. Die massiv erhöhte US Militärpräsenz im Golf verstärkt zusätzlich handfest die Drohkulisse.    

 

Die iranischen Gesprächspartner versichern einhellig, ihnen gehe es einzig um die friedliche Nutzung der Atomkraft, der Besitz von Atombomben widerspräche hingegen dem Koran. Wieweit dies tatsächlich die Meinung der iranischen Führung ist, ist schwierig zu beurteilen. Es könnte sich mit zunehmendem westlichem Druck aber alsbald der offizielle Standpunkt ändern, in dem der Bau einer Atombombe zum einzigen Ausweg wird. Für die USA und Israel und in deren Schlepptau die EU wurde seit drei Jahren die Atomfrage zur geeigneten Erpressungsstrategie gegen den Iran, deren Ziel letztlich die Selbstaufgabe des Regimes und eine Rückkehr zu Schah ähnlichen Verhältnissen ist. Je mehr indes dieser Druck zunimmt, dies zeichnet sich bereits heute deutlich ab, desto mehr schweisst dies Volk und Regime zusammen. In der Atomfrage und der Beurteilung der westlichen Drohkulisse ist deutliche Einigkeit sichtbar.

 

Was wird geschehen. Der Iran will keinen Krieg. Aber der Verhandlungsspielraum bezüglich Urananreicherung erscheint als äusserst klein, den USA geht es ohnehin ums Ganze. Eine andere Frage ist: können sich die USA einen Krieg gegen den Iran leisten? Offenbar besteht bei amerikanischen Armeekreisen hierüber keineswegs mehrheitliche Zustimmung. Hingegen mimt die politische Klasse in ihrer antiiranischen Haltung viel grössere Einigkeit als bezüglich Irak. Werden die USA mit chirurgischen Angriffen das Regime zur (vergeblichen) Selbstaufgabe zu zwingen versuchen und die Atomanlagen breit walzen? Wird diese Spezialität Israel überlassen, das darin ja über Erfahrung seit der Zerstörung des irakischen Atomreaktors 1981 verfügt? Ist der Krieg gegen den Iran für den Westen überhaupt militärisch gewinnbar? Lässt sich das Regime ohne konventionellen Krieg stürzen? Dies alles erscheint mindestens als fraglich, aber auch im Falle eines konventionellen Krieges ist zu berücksichtigen: der Iran hat 70 Millionen Einwohner, seine Armee ist weit verankerter und besser ausgerüstet als jene des Iraks, über die grosse innere Mobilisierungskraft des Irans weiss man seit dem ersten Golfkrieg 1980 bis 1988.

 

Was wollen eigentlich die Europäer? Bis jetzt fahren Deutschland, Frankreich, England und die EU im Schlepptau des antiiranischen US-Schlitten. Einsichtig ist das keineswegs. Müsste die EU nicht ein eigenständiges Interesse haben, mit dem Iran auch gegen die USA ins Oelgeschäft zu kommen. Richtete sich der Irakkrieg nicht auch gegen Frankreich und Deutschland, die beide im Irak über eine starke Stellung verfügten, haben die USA nicht vor nichts mehr Angst, als einer eigenständigen europäischen Nahost Erdölpolitik, die nicht mehr einseitig auf die USA ausgerichtet ist, sondern sich selbständig auch China oder Russland annähert? Schröder lässt grüssen. Bislang gilt wohl allerdings immer noch die Helmuth Schmidt’sche Formel von 1980, im persischen Golf verteidige der Westen seine legitimen Erdölinteressen. Nur: worauf gründet sich überhaupt diese Legitimität? Bestimmt nicht auf Völkerrecht, sondern allein auf überkommene postkoloniale Ressourcenansprüche. Ist es Israel, das die Europäer letztlich daran hindert, eigenständig zu agieren? Wenn man die Palästina Politik der EU nach dem Wahlsieg der Hamas anschaut, liegt die Vermutung nahe.

 

Kann dem Iran überhaupt das Recht auf eine Atombombe abgesprochen werden? Solange Israel und Pakistan über eine von den USA und vom Westen geduldete, illegale Atombombe verfügen, gegen die  rein gar nichts unternommen wird, ist kein einleuchtendes Argument ersichtlich, mit welcher Begründung diese der Regionalmacht Iran abzusprechen wäre. Die Hauptfrage ist nur, was der Westen dem Iran für einen Verzicht auf die Atombombe anzubieten hätte.

 

Das alles sind Fragen, über die im Iran nicht hörbar diskutiert wird. Ein kritischer Diskurs in Europa ist freilich auch noch nicht sehr breit vernehmbar, der mehr beinhaltet als einen Anti Bush Reflex, der strategisch zu kurz greift, obgleich Bush den Harakiri artigen Gang in eine wohl unvermeidliche Niederlage vielen Beratern zum Trotz zuzutrauen wäre.

 

Eine abschliessende Frage umreisst, wie viel für die USA auf dem Spiel steht: läutet die Auseinandersetzung um die Zukunft des Irans das Ende der weltpolitischen Monopolariät der USA hin zu einer multipolaren Weltordnung ein? Nähert sich der Anspruch, im Golf habe der Westen legitime Interessen zu verteidigen, allmählich dem Ende? Früher oder später wird dies so sein, unklar ist einzig der Zeitrahmen.

 

ZH/10.2.07/DVi